Extreme Wetterereignisse wie Stürme, Starkregen oder Überschwemmungen wird es künftig in Deutschland immer häufiger geben. Daran müssen sich die Menschen mit besseren Warnsystemen und Schutzmaßnahmen anpassen, fordern Experten.
In den kommenden 30 Jahren werden Extremwetter-Ereignisse weiter zunehmen. Zu dieser Einschätzung kommen Teilnehmer auf dem 7. Extremwetterkongress, der am 20. März in Hamburg eröffnet wurde. Mehr als 800 Klimatologen und Meteorologen sowie Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Medien wollen sich auf der viertägigen Veranstaltung über die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen durch extreme Wetterereignisse austauschen.
„Wir werden uns anpassen müssen“, sagte Paul Becker angesichts der steigenden Anzahl an Stürmen, starkem Hagel, heftigen Regenfällen und zunehmenden Hitzeperioden im Sommer. Für den Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes ist die Entwicklung guter Warnsysteme deshalb besonders wichtig. Im Sommer 2003 seien allein in Deutschland rund 7 000 Menschen aufgrund von Kreislauferkrankungen während der Hitzewelle gestorben. Danach habe man im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel ein Hitzewarnsystem entwickelt, das bereits drei Jahre später erfolgreich eingesetzt wurde, erklärte Becker. Vor allem eine kurze Warnkette, so der Experte, könnte dabei wesentlich zur Verminderung von Sach- und Personenschäden beitragen und helfen, auch die wirtschaftlichen Folgen zu mindern.
Seit den 1970er Jahren haben sich die wetterbedingten Naturkatastrophen in Deutschland verdreifacht. Diese Zahl nannte Peter Höppe, Leiter der GeoRisikoForschung der Rückversicherungsgesellschaft Munich Re bei der Eröffnung des Kongresses. „Für die nächsten zehn Jahre rechnen die Klimamodelle in Deutschland vor allem mit einer Zunahme der Sturmintensität und mit mehr Starkniederschlägen, die zu Überschwemmungen führen“, betonte Höppe und bezifferte die gesamtwirtschaftlichen Schäden aufgrund extremer Wetterereignisse für 2011 auf weltweit 105 Mrd. Euro. Dies ist nach 2005 die zweithöchste Schadenssumme.
Klimaerwärmung nicht verharmlosen
Für den Kieler Klimaforscher Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) gibt es keinen Grund, den Klimawandel zu leugnen. „Die immer wieder ins Spiel gebrachte Sonnenaktivität ist seit Jahren rückläufig“, sagte Latif und hat den gleichen Effekt auch bei der kosmischen Strahlung festgestellt. Er stellte die Temperaturentwicklung der Erde seit 1990 dar. Das vergangene Jahrzehnt sei das wärmste seit Beginn der flächendeckenden instrumentellen Messungen gewesen, so Latif. Langfristig würden die Temperaturen noch weiter steigen. Auch wenn sich die Fieberkurve zuletzt etwas abgeflacht habe, „dürfen kurze Atempausen vom langfristigen Trend nicht ablenken“, sagte der Klimaforscher. Betrachte man die gesamte Entwicklung, könne man den offensichtlichen Zusammenhang des Treibhausgases Kohlendioxid mit der Temperatur des Planeten nicht übersehen, sagte Latif. „Es gibt keinen Grund, die Klimaerwärmung zu verharmlosen“, richtete sich der Forscher an die Klimaskeptiker. Latif hatte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es Phasen des Temperaturrückgangs geben könne. Mit Blick auf das kürzlich von Fritz Vahrenholt, Geschäftsführer der RWE Innogy GmbH, und Sebastian Lüning vorgelegte Buch „Die kalte Sonne: Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“, verwies Latif auf der Veranstaltung in Hamburg darauf, dass es keine einzige wissenschaftliche Veröffentlichung gebe, die den Temperaturanstieg ohne den Anstieg der CO2-Emissionen erklären könne.
Der CO2-Ausstoß ist nach Angaben von Latif seit 1990 um rund 40 Prozent angestiegen und hat 2010 sein bisheriges Rekordniveau erreicht. „Die Energiewende wird kurzfristig nicht helfen“, sagte Latif, weil Kohlendioxid nur zur Hälfte zum weltweiten Treibhauseffekt beitrage. Ebenso wichtig wie die CO2-Reduktion sei es auch, bodennahes Ozon, Ruß und Methan zu vermeiden. Alle drei Stoffe tragen zur Erwärmung der Erdoberfläche bei und würden zudem die Gesundheit der Menschen gefährden. „Wenn wir diese Dinge anpacken, hätten wir eine Win-win-Situation und könnten uns kurzfristig etwas Luft verschaffen“, bekräftigte der renommierte Klimaforscher auf dem Kongress in Hamburg.
Energieversorgung wird anfälliger
Die Häufung von extremen Wetterereignissen wird auch Auswirkungen auf die Energieversorgung haben. In Deutschland sollen mit der Energiewende die regenerativen Energien bis 2050 auf 80 Prozent ausgebaut werden. „Mit dem Anstieg der erneuerbaren Energien steigt auch die Anfälligkeit der Energieversorgungssicherheit bei extremen Wetterereignissen“, erklärte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Grundsätzlich würden die regenerativen Energien hohe Volatilitäten aufweisen. Hitzeperioden, die zu Niedrigwasser führen, könnten dann den Betrieb von Wasserkraftwerken beeinträchtigen. Zudem können Großkraftwerke nicht mehr genügend Kühlwasser bekommen und zugleich der Kohletransport auf Binnenschiffen beeinträchtigt werden. Schwachwindphasen im Sommer würden die Stromerzeugung in Windkraftanlagen ebenso reduzieren, wie die Zunahme von Starkwindereignissen. Ab einer Windgeschwindigkeit von 24 m pro Sekunde müssten Windanlagen abgeschaltet werden, betonte Kemfert. Technisch sei die Energiewende machbar und biete enorme wirtschaftliche Chancen. „Die Energieversorgung ist nicht in Gefahr, aber eine Vorbereitung ist nötig“, erklärte Kemfert und hofft auf bessere Wetterprognosen für die Windoptimierung. Zudem sei es unerlässlich, mehr Speichermöglichkeiten zu schaffen, um überschüssigen Strom zu speichern und als Regelenergie für den Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung aus den erneuerbaren Energien bereitzustellen.
Bildquellen: Peter Habereder, Wilhelmine Wulff, Doberridefrau (alle bei pixelio.de)
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