LKW fährt auf Fähre

Drehscheibe für den Ostseeraum

Die günstige geografische Lage zwischen Nord- und Ostsee macht Schleswig-Holstein zu einem strategisch wichtigen Logistikstandort mit viel Potenzial.

Verladung im Hafen Rendsburg
Großvolumige Anlagen und Bauteile können im Rendsburg Port in Osterrhönfeld umgeschlagen werden. Foto: Rendsburg Ports GmbH

Mitte Juni wurden zwei 107 m hohe Windkrafttürme im neuen Rendsburger Hafen in Osterrönfeld per Binnenschiff angeliefert. Zerlegt in 32 Einzelsegmente werden die Türme nun von der Rendsburg Port GmbH zwischengelagert, bevor die fabrikneuen bis zu 45 t schweren einzelnen Betonringe per Lkw zum Aufbau eines Windparks nach Handewitt weitertransportiert werden. Bis November dieses Jahres will der Hersteller Enercon weitere Turmsegmente liefern. Das etwa 80 ha große Gewerbegebiet bietet für die Zwischenlagerung ausreichend Raum. „Der Umschlag für Enercon ist der perfekte Auftakt für Rendsburg Port. Wir verfügen über das nötige Equipment, die Flächen und sind auf dem Gebiet der Projektladung zu Hause“, erklärt Frank Schnabel. Er ist einer von zwei Geschäftsführern in Rendsburg und zugleich Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH. Zusammen mit dem mittelständischen Logistik- und Schifffahrtsunternehmen Ahlmann-Zerssen GmbH + Co. KG aus Rendsburg hat er den neuen Hafenstandort in Osterrönfeld aufgebaut. Künftig wollen beide Unternehmen den Hafen gleichberechtigt in einer gemeinsamen Gesellschaft betreiben. In Kombination mit der Lage am Nord-Ostsee-Kanal und der hervorragenden Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz sei der Rendsburger Hafen der „optimale Partner für die Windenergiebranche genauso wie für Güter anderer Industrien“, so Schnabel. Als Anbieter maritimer Logistikdienstleistungen haben sich die Spezialisten auf dem Areal genügend Platz für die Produktion und den Umschlag sowie die Lagerung von großvolumigen schweren Anlagen aus dem klassischen Maschinenbau oder eben der Windenergie-Branche gesichert.
Dieses Beispiel zeigt, dass Schleswig-Holstein weit mehr ist, als nur ein Transitland für den Güterverkehr zwischen der Ostsee und Mitteleuropa. Eingebunden in zwei dynamische Wachstumsregionen, dem sich immer stärker entwickelnden Ostseeraum und der Metropolregion Hamburg, ist das nördlichste Bundesland ein hervorragender Standort für spezielle Logistikdienstleistungen aller Art geworden. Heute präsentiert sich das Land zwischen den Meeren als wichtige Drehscheibe für das internationale Transportgeschäft und öffnet das Tor nach Skandinavien, Russland und ins Baltikum. Inzwischen setzen die 3 500 Unternehmen mit ihren mehr als 55 000 Beschäftigen rund 9 Mrd. Euro im Bereich Verkehr und Lagerei um, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Kiel.

Wichtige Stütze bei dieser Entwicklung sind die Häfen an Nord- und Ostsee. „Die Häfen in Schleswig-Holstein haben mit 36,6 Mio. Tonnen im vergangenen Jahr 2,3 Prozent mehr Güter umgesetzt als ein Jahr zuvor“, sagt Ulrich Wiemann vom Statistikamt Nord, das für Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig ist. Umschlagstärkster Hafen bleibt danach mit 17,7 Mio. Tonnen Lübeck, obwohl die umgeschlagene Menge hier leicht rückläufig gewesen ist. „Ein deutliches Plus erzielte der Seehafen Kiel, der um 12,5 Prozent auf 4,3 Mio. Tonnen zulegen konnte“, so Wiemann. Auch Puttgarden erwirtschaftete nach seinen Erhebungen einen Umschlag von 4,3 Mio. Tonnen. An der Elbmündung konnte Brunsbüttel im letzten Jahr um 5,8 Prozent auf 7,9 Mio. Tonnen anwachsen, erklärt Wiemann.

Autofähre in Puttgarden
Der Fährhafen Puttgarden wird durch eine feste Fehmarnbelt-Querung obsolet und die Transportzeiten für die Passage kürzer. Foto: Scandlines

Die Lebensader für den Schiffsverkehr in Schleswig-Holstein ist und bleibt der 100 km lange Nord-Ostsee-Kanal. Mit einem Transportaufkommen von knapp 100 Mio. Tonnen wurde der Kanal im vergangenen Jahr von etwa 33 500 Schiffen genutzt und gilt damit als eine der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraßen der Welt.
Aber nicht nur wasserseitig ist Schleswig-Holstein gut aufgestellt. Das Fernstraßennetz umfasst etwa 500 km Autobahn und 1 600 km Bundesstraßen, weitere 1 400 km wurden für das Schienennetz verlegt. Die Verkehrsinfrastruktur soll zukunftsorientiert ausgebaut und erweitert werden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Fehmarnbelt-Querung sowie der Ausbau der Küstenautobahn A20 mit einer zusätzlichen Elbquerung westlich von Hamburg. Die 19 km lange Untertunnelung des Fehmarnbelt gilt als größtes Infrastrukturprojekt Nordeuropas und soll die Metropolregionen Kopenhagen/Malmö und Hamburg enger zusammenbringen. „Durch die feste Fehmarnbelt-Querung rückt Schleswig-Holstein von einer Rand- in eine nordeuropäische Zentrumslage. Deutsche und Dänen erhalten eine einmalige Chance Zukunft zu gestalten“, ist sich Christoph Andreas Leicht sicher. Der Präses der IHK zu Lübeck hält deshalb einen zügigen Bau des Tunnels unter der Ostsee für unerlässlich. Gegner betrachten das Projekt aber mit Skepsis. Zwar sollen nach dem Staatsvertrag die Baukosten in Höhe von 5,6 Mrd. Euro zum Großteil Dänemark aufgebracht werden und später über Mautgebühren refinanziert werden. Aber die Hinterlandanbindung müssen Deutschland und Dänemark jeweils selbst finanzieren. Vor allem in Schleswig-Holstein muss dafür noch viel getan werden. So soll die B207 von Heiligenhafen nach Puttgarden auf vier Fahrstreifen ausgebaut und die Bahnstrecke Lübeck nach Puttgarden elektrifiziert werden. Die dafür ursprünglich angesetzten Kosten von 800 Mio. Euro wurden 2009 vom Bundesrechnungshof auf 1,7 Mrd. erhöht. Für die neue Regierungskoalition im Kieler Landtag Grund genug, die Bundesregierung aufzufordern, eine Überprüfung des Projektes vorzunehmen und den Staatsvertrag mit Dänemark neu zu erörtern. „Die Kostenschätzungen für die Hinterlandanbindung haben sich bereits einmal als viel zu niedrig erwiesen. Wir fordern ein verlässliches Finanzierungskonzept aus Berlin. Entscheidend ist hierbei die Zusage, dass die Bundesmittel für die Hinterlandanbindung nicht zu Lasten anderer wichtiger Verkehrsprojekte in Schleswig-Holstein bereitgestellt werden“, sagt Lars Harms, Vorsitzender des SSW im Kieler Landtag. Er denkt dabei an den ebenfalls geplanten Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals und der A20.

Geplanter Elbtunnel bei Glückstadt
Der Elbtunnel bei Glückstadt besteht derzeit nur als Modell. Foto: Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr

Letzterer hat aber durch den Koalitionsvertrag schon einen neuen Dämpfer erhalten. Die neue Landesregierung will die A20 in den nächsten fünf Jahren nur noch von Bad Segeberg bis zur A7 weiterbauen. Aus dem Kieler Verkehrsministerium heißt es dazu, es sei verkehrspolitisch wenig sinnvoll, einen längeren Abschnitt in den Kreis Steinburg zu bauen, wenn dieser aufgrund der unklaren Finanzierung des geplanten Elbtunnels bei Glückstadt ins Nichts führen würde. Dagegen haben die Landkreise an der Westküste die Landesregierung in einer Resolution am 20. Juni aufgefordert, die derzeit laufenden Planfeststellungsverfahren für alle Planungsabschnitte einschließlich der Elbquerung unverändert weiter zu betreiben und zügig zum Abschluss zu bringen. „Ein vollständiger Ausbau würde Schleswig-Holsteins Westküste erstmalig direkt an das europäische Verkehrs- und Wirtschaftssystem anbinden“, sagt Dithmarschens Landrat Jörn Klimant. Unterstützung erhält der Kreis-Chef von Itzehoe aus Berlin. „Es ist wichtig, dass wir an dem Verkehrsprojekt festhalten“, mahnt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Der Elbtunnel bei Glückstadt sei das Kernprojekt für den Ausbau der A20. Dort müsse man zunächst die Rahmenbedingungen schaffen, dann würden sich auch Mittel und Wege finden, um das zu realisieren, sagt Ferlemann und weist in diesem Zusammenhang auf die anhaltenden Verkehrsprobleme im Großraum Hamburg hin, wo die A1 und die A7 die Elbe queren. „Das ist eine riesige Wirtschaftsmetropole, die gleichzeitig ein Verkehrsnadelöhr ist. Wir müssen hier in absehbarer Zeit einen Bypass schaffen, um den Verkehrsinfarkt zu verhindern“, so der Staatssekretär, der zugleich für den Wahlkreis Cuxhaven/Stade II im Bundestag sitzt.

Die Kreise Dithmarschen, Nordfriesland, Pinneberg und Steinburg wollen sich auf diese Aussagen allein aber nicht verlassen. Gemeinsam mit externen Experten erarbeiten sie nun ein regionales Entwicklungskonzept für die Verkehrswege an der Westküste. Neben der A20 als Ost-West-Trasse erschließt sich die Region in Nord-Südrichtung hauptsächlich über die A23, die ab Heide derzeit noch in die B5 übergeht. Von dort an bis zur dänischen Grenze steht nur eine zweispurige Landstraße zur Verfügung. Auf dem 92 km langen Abschnitt kommt es immer wieder zu Staus und die können für die weitere Entwicklung der Transport- und Logistikbranche in Schleswig-Holstein folgenschwer sein. Und so hofft man überall an der Westküste auf den Bau der A20. „Die Häfen benötigen eine verbesserte Hafenhinterlandanbindung“, sagt Frank Schnabel, der zugleich auch Vorsitzender des Gesamtverbandes der schleswig-holsteinischen Häfen ist. Er fordert in diesem Zusammenhang einen schnellstmöglichen Ausbau der A20 und die Elbquerung mit Anbindung an Niedersachsen. „Der Hafen Brunsbüttel würde in seinen Entwicklungsmöglichkeiten gebremst, sollte die A20 nicht wie geplant fertig gestellt werden“, so Hafenchef Schnabel.


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