Die weltweite maritime Industrie hat die CO2-Reduktion zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben erklärt. In Hamburg diskutierten Fachleute, wie Reduktionspotenziale erschlossen werden können.
Die internationale Schifffahrt trägt derzeit zwar nur zu 2,7 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei, durch einen wachsenden Welthandel werden diese in den kommenden Jahren aber deutlich zunehmen. Die International Maritime Organisation (IMO) der UNO rechnet mit einer branchenweiten Zunahme des CO2-Ausstoßes von derzeit 1,12 auf knapp 1,48 Mrd. t im Jahr 2020. „Bis 2050 werden die weltweiten CO2-Emissionen in der internationalen Schifffahrt auf 2,5 bis 3,6 Milliarden Tonnen ansteigen“, prognostizierte Katharine Palmer, Umweltmanagerin bei Lloyd‘s Register auf einer Branchentagung am 4. September in Hamburg. Auf dem Global Maritime Environmental Congress diskutierten Branchenvertreter im Rahmen der 25. SMM, einer internationalen Schiffsbau- und Meerestechnikmesse, über mögliche Reduktionspotenziale und Vorschriften. Verglichen mit anderen Verkehrsträgern ist die Schifffahrt noch vergleichsweise klimaschonend unterwegs, dennoch ist in der Branche in den letzten Jahren die Sensibilität für Umwelt- und Klimaschutzfragen deutlich gewachsen.
Um dem erwarteten CO2-Anstieg entgegenzuwirken, hat die IMO im Juli 2011 verbindliche Vorschriften beschlossen, die den Brennstoffverbrauch der Schiffe und damit auch deren CO2-Ausstoß signifikant senken sollen. Der Energy Efficiency Design Index (EEDI) bewertet die Transporteffizienz eines Schiffes und wird 2013 für Neubauten eingeführt. Ab 2015 sollen die zulässigen Grenzwerte im Fünfjahres-Rhythmus gesenkt werden. Der so genannte Ship Energy Efficiency Management Plan (SEEMP) bewertet dagegen den Betrieb eines Schiffes. Auch er wird ab 2013 eingeführt, gilt aber von Beginn an für alle weltweit fahrenden Schiffe.
Langfristig können diese beiden Vorschriften die CO2-Emissionen sehr positiv beeinflussen. Verglichen mit einem Business-as-usual-Szenario sollen nach Berechnungen der IMO bis 2020 bereits 152 Mio. t CO2 eingespart werden. Dies entspricht einer 14-prozentigen Reduzierung. Bis 2030 könnten die Werte um 30 Prozent oder 330 Mio. t CO2 und bis 2050 sogar um 1,031 Mrd. t CO2 zurückgehen.
Wasserstoff für Küstenverkehr
Die beiden Effizienz-Indizes sorgen durch einen verringerten Brennstoffverbrauch für sinkende CO2-Emissionen. Die Schifffahrtsunternehmen können mit der Umsetzung entsprechender Maßnahmen gleich doppelt punkten. Sie reduzieren ihre Emissionen und sparen zugleich Ausgaben für Schweröl und Schiffsdiesel. Seit 2005 haben sich insbesondere die Preise für Schweröl deutlich erhöht und kletterten innerhalb von nur drei Jahren von 150 auf über 700 US-Dollar/t (rund 556 Euro/t), wo sie sich nach der Krise nun wieder etabliert haben, erklärte Michael Lund von der Kopenhagener Schifffahrtsorganisation Bimco. So könne ein Großtanker mit einer Ladekapazität von 200 000 t seinen Schwerölverbrauch von derzeit 23 000 auf 14 000 t reduzieren, wenn er nach der EEDI-Norm gebaut wird. Bis 2020 wird die Branche dadurch rund 50 Mrd. US-Dollar bei den Brennstoffkosten sparen. Für 2030 liege das Einsparpotenzial bei 200 Mrd. US-Dollar, rechnete Lund vor.
Auch neue Technologien können den CO2-Ausstoß deutlich absenken. Pierre Sames von der Klassifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd stellte mit der „zero emissions perspective“ ein Konzept vor, wie Schiffe auf Basis von Wasserstoff emissionsfrei betrieben werden könnten. Vor allem beim Feederverkehr, also der Zulieferung und Verteilung von Containern mit kleineren Schiffen im küstennahen Einsatz, sieht er deutliches Einsatzpotenzial. Den Wasserstoff will er per Elektrolyse in den Offshore-Windparks herstellen. „Ein Windpark mit einer installierten Leistung von 500 Megawatt kann 6 000 Tonnen Wasserstoff produzieren. Damit lassen sich drei Feederfrachter betreiben“, erläuterte Sames sein Konzept.
LNG intensiv diskutiert
Einen anderen Weg zur CO2-Reduktion bietet der Einsatz von verflüssigtem Erdgas. LNG als Alternative zu den herkömmlichen Brennstoffen war ein intensiv diskutiertes Thema auf der Veranstaltung. Durch den Einsatz von LNG können die CO2-Emissionen um 25 bis 30 Prozent reduziert werden. Zudem würde sich der Verzicht auf Schweröl oder Marinediesel auch positiv auf den Abbau der Stickstoff- und Schwefeldioxid- sowie der Rußpartikelemissionen auswirken, erklärte Martin Lund von der norwegischen Klassifizierungsgesellschaft DNV. Auf diese Weise angetriebene Schiffe können auch problemlos die so genannten Emission Controlled Areas (ECA) befahren. In diesen Zonen gelten besondere Beschränkungen für Schwefeldioxid und andere Schadstoffemissionen.
Viel geholfen wäre den Hafenstädten auch schon mit einer verlässlichen Landstromversorgung, die den Einsatz der Hilfsdiesel während der Liegezeiten unnötig machen würde. Monika Griefahn, Direktorin für die Bereiche Umwelt und Nachhaltigkeit beim Rostocker Kreuzfahrtunternehmen AIDA Cruises, stellte auf der Veranstaltung ein Konzept vor, mit dem Schiffe in den Häfen emissionsarm mit Strom versorgt werden können. Entwickelt wurde das mit LNG betriebene schwimmende Gaskraftwerk von der Hamburger Firma Becker Marine Systems. Fünf Gasmotoren sollen auf einer Schute installiert und mit einem Generator gekoppelt werden. Mit einer Gesamtleistung von 7,5 MW könnte das System eine energieschonende und emissionsreduzierte Stromversorgung der Kreuzfahrtschiffe während deren Liegezeiten in Hamburg gewährleisten. AIDA Cruises, die Reederei der Schiffe mit dem Kussmund kündigte an, die als LNG Hybrid Barge bezeichnete Serviceschutte auch anderen Passagierschiffen anzubieten – sofern diese nicht gerade für eigene Schiffe benötigt wird.
Die IMO setzt mit marktbasierten Maßnahmen zudem auf die indirekte Wirkung von Marktanreizen. Dazu zählen Steuern auf Brennstoffe sowie der Emissionshandel. Die Vor- und Nachteile werden bei der IMO derzeit intensiv diskutiert. Unabhängig davon berät die EU-Kommission, ihr EU-Emissionshandelssystem auf die Schifffahrt in Europa auszuweiten. Dies könnte nach Einschätzung von Martin Lund die Entwicklung von Effizienztechnologien beschleunigen und weitere Innovationen vorantreiben. Bei der Papenburger Meyer-Werft, die eigentlich für den Bau von großen Kreuzfahrtschiffen bekannt ist, wird derzeit ein LNG-Tanker montiert, der noch im Dezember ausgeliefert werden soll. Der Clou des neuen Schiffes: Die von Wärtsilä gelieferte Hauptmaschine wird neben dem üblichen Schweröl auch ihr verflüssigtes Transportgut als Brennstoff verfeuern.
Gerade bei diesen Perspektiven sieht die Branche Schiffsdiesel und Schweröl noch lange nicht als Auslaufmodelle. Wegen seines hohen energetischen Wirkungsgrades werde der moderne Dieselmotor, wenn er mit sauberen und schwefelarmen Brennstoffen oder mit LNG betrieben wird, auch weiterhin eine wesentliche Rolle in der Schifffahrt spielen.
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