Benzin-Kontor: Ehrliche Preise vom Ammersee

Frei und unabhängig, das war das Ziel, mit dem sich Dietmar Possart mit einem eigenen Mineralölunternehmen, Benzin-Kontor, selbstständig gemacht hat. Die Unternehmensentwicklung hat er deshalb stets aus eigener Kraft finanziert. Nun stehen die Zeichen auf Erneuerung, doch ans Aufhören denkt er noch lange nicht.

Um 3 Cent auf 1,779 Euro springt die Preistafel an der Tankstelle in der Seefelder Straße für die Sorte Super E10 nach oben, es ist an dieser Markenstation in Herrsching am Ammersee bereits die 15. Preisveränderung an diesem Tag – und eigentlich kein ungewöhnlicher Vorgang an Tankstellen in Deutschland.

Dem Straßenverlauf rund 10 Kilometer weiter Richtung München folgend, steht in der Gemeinde Weßling der Wert aber bei 1,679, und die Tankstelle dort hat den Preis in den letzten 36 Stunden nicht verändert. Beide Stationen gehören BK.

Dietmar Possart ist Chef der Benzin-Kontor AG in Herrsching und während die Tankstelle in Weßling unter eigenem Logo betrieben wird, führt BK ausgerechnet die Station an ihrem Firmensitz in Herrsching in einer Markenpartnerschaft mit einer großen Farbengesellschaft. Hier hat Possart keine Preishoheit, die Preistafel wird aus einer fernen Zentrale gesteuert und zeigt sich entsprechend volatil. Von den 35 Stationen im Netz betreibt Benzin-Kontor 28 unter eigenem Logo, die restlichen Stationen stehen an Supermärkten oder tragen die Farben großer Konzerngesellschaften.

Handgemachte Preise

„Wir machen ehrliche Preise“, sagt Possart und zeigt am Computer, dass an einigen Tankstellen in seinem Netz die Preise seit fünf Tagen Bestand haben.

„Für Außenstehende wirkt es oft so, als seien unsere Tankstellen geschlossen, weil sich die Preise nicht verändern. Unsere Kunden hingegen honorieren diese Verlässlichkeit“, sagt Possart. Natürlich werde er mit dieser Strategie zu bestimmten Zeiten vom Markt unterboten, oft sei es aber auch so, dass seine blau-gelben Tankstellen in Südbayern die günstigsten Anbieter vor Ort sind.

Nur für einige wenige Standorte passt sich Possart den Marktgegebenheiten an. „Dort wo auf der anderen Straßenseite eine konkurrierende Tankstelle steht, müssen wir die Preise öfter anpassen. Sonst machen wir unseren Pächtern das Shop- und Frühstücksgeschäft kaputt, wenn sie bei den Spritpreisen nicht mehr konkurrenzfähig sind“, sagt Possart.

Dietmar Possart, Chef von Benzin Kontor, steht vor einem alten VW Käfer und erzählt.
Dietmar Possart brachte schon früh fortschrittliche Biokraftstoffe auf den Markt.. Foto: Mobil in Deutschland e.V.

Er ist ein Typ, der erfrischend unangepasst ist und nicht davor zurückschreckt, auch mal anzuecken. Vor allem aber setzt
er sich sehr engagiert für die Interessen seiner Pächter ein. 18 Jahre lang war Possart im Vorstand des Bundesverbandes freier Tankstellen (bft). In der Branche gilt er als streitbar.

„Mit extremen Preisausreißern verscherzt man es sich mit den Kunden“, mahnt Possart und verweist auf die hohe Kundenfrustration, wenn Kraftstoffpreise unmittelbar vor dem Tankvorgang in die Höhe schnellen oder direkt danach fallen. Ihm ist bewusst, dass er mit einer höheren Preisvolatilität auch an seinen Zapfsäulen mehr Gewinnmarge erzielen könnte, aber das scheint ihm nicht wichtig zu sein.

Zum Beweis holt er einen Aktenordner aus dem Schrank. Darin die Margenberechnung für jeden einzelnen Standort im BK-Netz, ausgedruckt und fein säuberlich abgeheftet. Sind das nicht streng geheime Betriebsdaten? „Ach, Sie werden es schon nicht 1:1 abdrucken – und selbst wenn – unsere Marge könnte sich doch wahrscheinlich jeder im Markt ausrechnen, weil wir untertags keine Preissprünge haben“, sagt Possart schulterzuckend. Beim Wettbewerb sei das ganz anders, da komme niemand dahinter, weil man letztlich nicht wisse, wieviel Kraftstoff zu welchen Preisen abgesetzt werde. Auch wenn er nicht auf Gewinnmaximierung setzt – so viel sei an dieser Stelle verraten –, das Geschäftsmodell von Possart geht auf, BK kann von ihren Tankstellen gut leben.

Benzin-Kontor ist wie eine große Familie, und oft sitzen an den Stationen vor Ort Pächter schon in zweiter Generation hinter dem Kassentresen, weil auch schon die Eltern mit Possart zusammengearbeitet haben. „Ich habe immer gesagt, ich arbeite bis 80, dann nur noch halbtags“, erzählt der 1944 in Ostpreußen geborene und als Kind nach Bayern geflohene Possart. Jetzt sei er 79 und je näher nun das Datum seines Geburtstages rückt, umso stärker reife die Überlegung, ob er nicht doch erst mit 81 kürzer treten will, vielleicht auf drei Viertel der Arbeitszeit. Immerhin hat er vorgesorgt.
Seit einigen Jahren hat er Philipp Arner als Mitaktionär, Prokuristen und Geschäftsleiter Tankstellen an seiner Seite.

Er ist der Sohn eines aktiven BK-Tankstellenpächters und kümmert sich vor allem um Digitalisierungsthemen, wenngleich auch die Betreuung des unternehmenseigenen Facebook-Accounts weiterhin dem Senior obliegt. 2022 führte Arner mit ryd pay, pace und fillibri mobiles Bezahlen an den BK-Zapfsäulen ein. Seit 2023 kann auch die Wäsche mobil bezahlt werden.

Philipp Arner steht neben einem alten VW Käfer, der mit synthetischem Kraftstoff betankt wurde
Philipp Arner investiert in die notwendige Transformation. Er ist Prokurist, Geschäftsleiter Tankstellen und Mitaktionär bei Benzin-Kontor. Foto: Mobil in Deutschland e.V.

„Unsere Aufgabenverteilung ist relativ einfach“, sagt Possart und ergänzt: „Ich sitze hier und verdiene das Geld, und Philipp gibt es für Investitionen aus“.

Das scheint bis jetzt ganz gut zu funktionieren. „Er verdient genug, damit ich alle Ausgaben bezahlen kann“, bestätigt Arner.

Für die Zukunftsthemen E-Fuels und E-Mobility gut gewappnet

Bei den großen Zukunftsthemen sind sich die beiden einig. 2019 wurden bei BK an den ersten drei Stationen Ladesäulen mit 50 kW Leistung errichtet. „Wir haben dabei viel Lehrgeld bezahlt“, berichtet Arner. Die Ladesäulen wurden selbst finanziert, ganz ohne Förderung. So machen sie das immer. „Frei sein und frei bleiben“, lautet die Devise bei Benzin-Kontor, und deshalb haben sie sich weder von einem großen Mineralölkonzern oder Lieferanten abhängig gemacht, noch ihr Schicksal in die Hände der Banken gelegt. Dadurch schreitet die Entwicklung vielleicht etwas langsamer voran als anderswo, aber Benzin-Kontor wächst kontinuierlich und – und darauf sind die beiden sichtlich stolz – aus eigener Kraft.

Inzwischen haben sie weitere Schnellladesäulen mit 300 kW Leistung an fünf Tankstellen errichtet. Weitere sollen folgen. Aber wie fast überall im Land fehlen die notwendigen Kapazitäten im Stromnetz, oder die erforderlichen Trafostationen sind nur mit enormen Wartezeiten lieferbar, und auch Bauanträge könnten schneller bearbeitet werden, erläutert Arner.
Auch bei der Einführung fortschrittlicher Biokraftstoffe gilt BK als einer der Pioniere. Schon 2020 führten Possart und Arner das Produkt „Diesel Protect 25“ an einer Münchener Tankstelle ein.

Inzwischen ist der nachhaltige Kraftstoff an sechs BK-Stationen rund um die Isar-Metropole erhältlich. Die Kraftstoffalternative ist ein Dieselkraftstoff, dem ein bestimmter Anteil an pflanzlichen Ölen (HVO) beigemischt wird. Dadurch sollen die CO2-Emissionen gegenüber konventionellem Diesel um 25 Prozent sinken und der klimaschonende Kraftstoff von jedem Dieselmotor verarbeitet werden können. Von der Zukunft alternativer Kraftstoffe ist Arner überzeugt. Zum Beweis schickte er im vergangenen November einen alten Käfer mit einem von CAC Engineering aus Chemnitz synthetisch erzeugten Benzinkraftstoff (DIN EN 228) auf die Straße. Der Motor lief tadellos.

„E-Fuels sind ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft. Wir wollen diesen Weg für mehr Klimaschutz unbedingt begleiten und stehen mit unseren Tankstellen bereit“, macht Arner deutlich.

Wichtig sei es, E-Fuels nun zunehmend den Kraftstoffen beizumischen und so die Emissionen in der Bestandsflotte zu reduzieren. Arner rechnet damit, dass ab 2030 synthetische Kraftstoffe in größerer Menge verfügbar sein werden. Aber schon jetzt machen sich Arner und Possart Gedanken, wie sie die neuen Produkte an die Tankstelle bringen können. Teilweise lassen sich Tankräume umbelegen, sofern dies technisch möglich ist. An anderen Stationen aber müssen wohl Sorten aus dem Sortiment genommen werden, um Tankkapazitäten für die Alternativkraftstoffe bereitzustellen. „Da arbeiten wir dran“, resümiert Arner und blickt Possart an. Dieser widmet sich seinem Computer. Er muss Geld verdienen. Der Junior will investieren. 


Dieses Unternehmensporträt ist im EID Special „tanken & laden“ 1/2024 am 15.März 2024 erstmals veröffentlicht worden.