Der Bundestagswahlkampf war zuletzt vor allem von der Migrationsdebatte geprägt. Andere Themen traten in den Hintergrund. Dabei steht gerade die Energiewende an einem entscheidenden Punkt. Damit Deutschland seine Klimaziele erreichen und gleichzeitig eine sichere und bezahlbare Energieversorgung gewährleisten kann, sind schnelle und entschlossene Maßnahmen erforderlich. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) und die Denkfabrik Agora Energiewende haben dazu jetzt konkrete Empfehlungen veröffentlicht, die der neuen Bundesregierung als Fahrplan dienen können.
Infrastruktur ausbauen und Digitalisierung vorantreiben
Laut Dena sind der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Strom- und Wärmenetze müssen ausgebaut, die Digitalisierung der Energiewirtschaft vorangetrieben und sektorübergreifende Lösungen gefördert werden. Insbesondere die Energiewirtschaft, der Gebäudesektor, die Industrie und der Mobilitätssektor benötigen gezielte Maßnahmen. Wirtschaft und Politik müssen eng zusammenarbeiten und die gesamte Gesellschaft einbinden, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen.
Dena-Geschäftsführerin Corinna Enders betont die Notwendigkeit, die deutsche Wirtschaft nachhaltig zu modernisieren. Energieeffizienz und digitale Technologien spielen dabei eine Schlüsselrolle. Ohne diese Maßnahmen droht Deutschland im internationalen Wettbewerb zurückzufallen.
Handlungsbedarf in den zentralen Sektoren
Energiewirtschaft
- Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen: Der Anteil von Wind- und Solarenergie muss massiv gesteigert werden.
- Netzausbau vorantreiben: Die Stromnetze müssen für die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien modernisiert und ausgebaut werden.
- Flexibilisierung des Strommarktes: Dezentrale Speicherlösungen und steuerbare Lasten sollen gefördert werden, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
- Subventionen für fossile Energieträger abbauen: Finanzielle Anreize für fossile Energieträger sollten konsequent abgebaut werden.
Gebäudesektor
- Gebäudesanierungsoffensive: Der Energieverbrauch im Gebäudebereich muss durch energetische Sanierungen und effizientere Heizsysteme gesenkt werden.
- Klimaneutrale Baustoffe fördern: Nachhaltige Baustoffe und emissionsarme Bauweisen sollen gefördert werden.
- Verbindliche Effizienzstandards: Neubauten sollen höchsten Energieeffizienzstandards entsprechen und verstärkt mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden.
Industrie
- Dekarbonisierung von Produktionsprozessen: Unternehmen müssen gezielt dabei unterstützt werden, ihre Produktion auf klimaneutrale Verfahren umzustellen.
- Wasserstoff als Schlüsseltechnologie: Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist entscheidend für eine klimafreundliche Industrie.
- Förderung der Kreislaufwirtschaft: Ressourceneffizienz und Recycling müssen gestärkt werden, um den Energieverbrauch in der Produktion zu senken.
Mobilitätssektor
- Beschleunigung der Elektromobilität: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss vorangetrieben und die Anschaffung von E-Fahrzeugen stärker gefördert werden.
- Verbesserung des öffentlichen Verkehrs: Die Investitionen in den öffentlichen Verkehr müssen erhöht und das Angebot attraktiver gestaltet werden.
- Förderung nachhaltiger Kraftstoffe: Alternative Antriebe wie synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff müssen gezielt weiterentwickelt werden.
- Stärkung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs: Städte sollen verstärkt in fahrradfreundliche Städte umgewandelt werden.
Strompreise senken für mehr Elektrifizierung
Agora Energiewende betont, dass hohe Strompreise den Umstieg auf klimafreundliche Technologien im Verkehrs-, Wärme- und Industriesektor erschweren. Um die Elektrifizierung voranzutreiben, sollte die Regierung Steuern und Abgaben senken. Vor allem für die stromintensive Industrie sind die Preise noch deutlich höher als vor fünf Jahren. Eine Senkung der Stromkosten könnte Unternehmen motivieren, schneller auf erneuerbare Energien und effiziente Technologien umzusteigen.
Investitionen in klimaneutrale Technologien lenken
Agora schlägt vier konkrete Maßnahmen vor, um klimaneutrale Investitionen zu beschleunigen:
- Steuerliche Investitionsprämien: Eine 15-prozentige Prämie für Unternehmen, die in Effizienztechnologien investieren, könnte jährlich drei Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt kosten.
- Klimaschutzverträge optimieren: Innovationsgarantien und eine Absicherung gegen CO2-Preisschwankungen sollen vor allem kleineren Unternehmen helfen. Die Kosten werden auf 3,1 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
- Grüne Leitmärkte etablieren: Über das Vergaberecht und verbindliche Nachhaltigkeitskriterien sollen klimaneutrale Produkte gezielt gefördert werden.
- Internationale Standards voranbringen: Innerhalb der G7, der G20, des Klimaclubs sowie in Handelsabkommen der EU sollen gemeinsame Standards gesetzt und Märkte skaliert werden.
Stabilität und Finanzierung sicherstellen
Dena und Agora fordern zudem eine langfristig gesicherte Finanzierung der Energiewende. Möglichkeiten hierfür sind:
- Eine Anpassung der Schuldenbremse.
- ein Sondervermögen Klimaschutz
- ein ausreichend ausgestatteter Energiewendefonds
Um die finanziellen Belastungen für die Haushalte abzufedern, könnte ein Klimageld eingeführt werden, das sozial gestaffelt ist und gezielte Unterstützung bietet.
Folgen einer verzögerten Energiewende
Sollte sich die Energiewende weiter verzögern, hätte dies gravierende Folgen für Industrie und Verbraucher:
Für die Industrie:
- Verlust der Wettbewerbsfähigkeit: Hohe Energiepreise könnten dazu führen, dass Unternehmen Produktionsstandorte ins Ausland verlagern.
- Investitionsunsicherheit: Ohne klare politische Rahmenbedingungen werden Unternehmen zögern, in klimaneutrale Technologien zu investieren.
- Technologischer Rückstand: Deutschland könnte im globalen Innovationswettlauf zurückfallen, insbesondere in Zukunftsbranchen wie der Wasserstoffwirtschaft und der Elektromobilität.
Für die Verbraucher:
- Steigende Energiekosten: Ohne einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien bleiben die Haushalte von den Preisschwankungen fossiler Energieträger abhängig.
- Gefährdung der Versorgungssicherheit: Verzögerungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze können zu Engpässen und instabilen Strompreisen führen.
- Erhöhte soziale Belastung: Einkommensschwache Haushalte wären von steigenden Energiepreisen und unzureichender finanzieller Entlastung überproportional betroffen.
Fazit: Neue Bundesregierung muss jetzt handeln
Die Handlungsempfehlungen von Dena und Agora Energiewende machen deutlich: Es gibt keinen Spielraum für Verzögerungen. Die neue Bundesregierung muss jetzt entschlossen handeln, um die Energiewende voranzutreiben, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und Klimaneutralität zu erreichen. Mit gezielten Investitionen, sinkenden Strompreisen und einer nachhaltigen Finanzierung kann der Übergang in eine klimafreundliche Zukunft gelingen.
Das Impulspapier der Dena ist unter dem Titel „12 Leitplanken für die nächste Legislatur“ als PDF-Dokument abrufbar.
Agora Energiewende hat vier Factsheets zur Energie- und Klimadebatte zur Bundestagswahl veröffentlicht.
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